Fredericke, was treibt dich im Job an?
Es ist die Suche nach dem roten Faden. Die Textilindustrie ist außerordentlich komplex. Um ein Thema zu erfassen, muss man häufig an ganz anderer Stelle beginnen als vermutet. In Indien erfindet man eine neue Färbetechnik und wenig später ergeben sich dadurch neue Trendfarben auf den Laufstegen der Modemetropolen. In China werden die Mindestlöhne erhöht und plötzlich rückt Osteuropa als Produktionsland in den Fokus, während die entstehende asiatische Mittelschicht wiederum einen neuen Absatzmarkt verspricht. Marken vertikalisieren in den Handel hinein, Produzenten beschäftigen immer häufiger Designteams und die klassischen Händler wiederum bauen vermehrt Eigenmarken auf. Betrachtet man die wichtigsten globalen Player der Branche, liegt ihr größter Aufwand in der Logistik. Kerngeschäfte zu definieren wird schwierig, vermutlich nicht nur von außen. Und dann kommt der Verbraucher, dessen äußerstes Mittel zur Identitätsbildung nun einmal Bekleidung ist. Kein Wunder, dass sich in ihr jede gesellschaftspolitische Regung ablesen lässt. Wohnräume wiederum schreiben die großen sozialen Veränderungen fest, wie etwa neue Rollenmodelle oder kulturelle Verschiebungen und Überlappungen. Mich interessieren diese kausalen Ketten, die sich häufig entlang verschiedener Entwicklungen aufbauen und hin und wieder den Blick in die Glaskugel erlauben.
Wie erreichst du diesen tiefen Einblick in die Welt der Textilien?
Den ermöglichen mir meine Auftraggeber, häufig die Fachmedien. Sie geben mir den Raum, eine spannende Geschichte auch mal auf mehr als einer Magazinseite zu entfalten, und schicken mich vor Ort. Spinnereien, Webereien, Druckereien, Färbereien: ich durfte mir schon so manche auf verschiedenen Kontinenten anschauen. Ich habe die Poesie blühender Flachsfelder bewundert und eine Matratze per Hand genäht. Ich weiß, wie es in einer Gerberei riecht und hatte schon viele Experten im Gespräch. Das hilft sehr dabei, die Leser wörtlich mitzunehmen. In den Fotostrecken, die ich produziere, erkennt man dies womöglich am besonderen Fokus auf die textilen Strukturen und an meinem transdisziplinären Ansatz. Ich verbinde gerne die Welt der Innenarchitektur mit der Mode. Besonders freue ich mich, wenn ich dabei Konventionen infrage stellen darf.
Gibt es Themen, die dich persönlich besonders interessieren?
Konkret nicht, ich kann mich für fast alles begeistern, was Fluch und Segen zugleich ist. Es gibt allerdings Momente, in denen alle Disziplinen, die mir am Herzen liegen, zusammenkommen: Mode, Interior und Nachhaltigkeit. Dann merke ich, wie mein Puls steigt. Das tut er auch, wenn ich Menschen begegne, die mir Erkenntnisse liefern, auf die ich alleine niemals gekommen wäre.
Wie vermittelst du diese Erkenntnisse?
Allem voran schreibe ich darüber. Neben der journalistischen Arbeit produziere ich Fotostrecken: produktbasierte Still Life Strecken, ebenso wie Interior, Beauty und Fashion. Und gerade mein Wissen über nachhaltigen Textilien, an dem ich seit 2005 arbeite, vermittle ich gerne über Vorträge, Lehraufträge an Hochschulen und Moderationen. Letztes Jahr bin ich zurück zu meinen beruflichen Wurzeln als Designerin und Designwissenschafterin gegangen und habe die Design Direktion der britischen Marke Hodsoll McKenzie, die zum Haus Zimmer & Rohde gehört, übernommen. Ich entwerfe Stoffkollektionen für die Interior Branche, die weltweit vertrieben werden. Plötzlich sind jene Produzenten, über die ich zuvor Reportagen geschrieben hätte, meine Lieferanten. Dies hat ein ganz neues, noch umfassenderes Verständnis für den Markt zufolge, eine wunderbare Entwicklung.
Müsstest du deine Arbeit zu einem Claim zusammenfassen, wie würde dieser lauten?
Say what you mean, mean what you say.