Beitrag für das md Magazin (12/2017)
(...) „Vor Ihnen sitzt eine überzeugte Verfechterin des Inneren der Architektur,“ beginnt Ushi Tamborriello schmunzelnd das Gespräch und fasst, wie sich im Verlauf herausstellt, damit direkt die Besonderheit ihres Schaffens zusammen. Und das weit über den Umstand hinaus, dass sie Innenarchitektin ist und als solche ein breites Spektum an Innenräumen gestaltet, von Bäder- und Wellnessanlagen, Restaurants bis hin zu Ausstellungsarchitekturen. Der gestalterische rote Faden für die unterschiedlichen Wirkungsbereiche zeigt sich in der intensiven Beschäftigung mit dem Ort und seinen Funktionen im Zusammenspiel mit den menschlichen Bedürfnissen, die einem Projekt innewohnen.
„Im gemeinsamen Arbeiten am Projekt, stellt sich - in einer Zeit des völligen Umbruchs in nahezu allen Lebensbereichen – sehr früh die Frage nach einer verbindlichen Identität. Die vielen Entscheidungen, die im Verlauf zu fällen sind, fallen leichter und fundierter, wenn man ihnen mit einer Haltung begegnen kann. Neben der Reflektion, kommen dabei der sinnlichen Wahrnehmung und dem Erinnern tragende Rollen zu.“ Dies erreiche man mit dem Einsatz von Textilien besonders gut. „Im Zusammenhang mit der Differenzierung des Raumes ist gerade die textile Hülle eines der ältesten Kulturgüter, das wir kennen. Sie ist uns seit Jahrhunderten vertraut, bot uns Schutz vor klimatischen Einflüssen und vor unerwünschten Blicken. Und war schon in frühen Kulturen Trägerin erzählerischer Inhalte – man denke nur an die grossen Wandteppiche des Mittelalters, auf denen Geschehnisse der Menschheitsgeschichte in „Bildwirkereien“ festgehalten wurden.“
„Für mich ist Textil nicht einfach ein Material. Schon der Wortstamm ,texo’, das Weben, deutet auf die Verbindung von Qualitäten. Textile Materialien sind sowohl ästhetisch als auch funktional so vielfältig, dass sie kaum mit anderen Werkstoffen zu vergleichen sind“, erklärt die Designerin weiter. Und diese Vielfalt nehme mit der technologischen Entwicklung momentan rasant zu. Stoffe können heute schon leuchten, messen, senden, wärmen und sogar reinigend auf den Raum wirken.
Die Gründe, aus denen in den vergangenen Jahren in der Architektur oft auf textile Komponenten verzichtet wurde – etwa Nachteile in der Hygiene, Pflegeintensität oder eine fehlende Strapazierfähigkeit – seien folglich heute nicht mehr zutreffend.
„Über die viele Jahre vorherrschende Angst vor dem dekorativen Moment des Textilen im architektonischen Diskurs kann man heute nur lächeln“, stellt die Innenarchitektin fest. Neben dem technologischen Fortschritt seien es gerade die nahezu unbegrenzten Ausdrucksformen, die das Textil gestalterisch so wertvoll machen. So oder so müsse man den Gebrauch von Textilien neu lernen, so die Expertin. (...)
Photos: Jochen Splett